Denkzeit – Typografische Untersuchung eines Buchstabenumfeldes

14. Januar 2021, Typografie

Die Kulturstiftung des Landes Sachsen untersützte mein Projekt Die typografische Untersuchung eines Buchstabenumfeldes in digitalen und analogen Medien. Ich recherchierte nach relevanter Literatur, führte eine Mini-Umfrage durch und arbeitete an der grafischen Umsetzung der ersten prototypischen Versuche.

Abbildung 1 – Outlines der Räume vor und nach der Minuskel g

Vier Zwischenraeume g, Studie Annett Riechert

Insgesamt fünfzehn Werke der letzten hundert Jahre waren zur Thematik Der Raum um einen Buchstaben relevant. Wobei meine Betrachtungen von künstlerischen Aspekten (1) Larisch, Rudolf: Über Zierschriften im Dienste der Kunst und (2) Beispiele künstlerischer Schrift aus vergangenen Jahrhundert, philosophischen Betrachtungen (3) Luidl, Phillip: Typografie, Herkunft, Aufbau, Anwendung, medizinisch-funktionalen (4) Dehaene, Stanislas: Lesen und historischen Einordnungen (5) Smeijers, Fred: Counterpunch und (6) Tracy, Walter: Letters of Credit breit gestreut waren.

Das Studium der Quellen warf neue Fragen auf, die ich in einer kurzen Umfrage zur Diskussion stellte. Zielgruppe dieser Umfrage waren schriftinteressierte, aber nicht im Fachbereich der Schriftgestaltung tätige Personen.

Mein Ziel war es:

  • Zur Betrachtung des Raums (7) Ruder, Emil: Typography Anregungen zu bekommen, die sich vom Bereich der Architektur kommend auf den Bereich der Lettern übertragen lassen.
  • Die Sicht auf die generelle Frage nach der Bedeutung des Buchstabens zu erfahren. Und
  • Über die Quizfrage: „Wird das Gehirn durch Serifen mehr stimuliert?“, das typografische Fachwissen der Personengruppe einzuschätzen.

Zitate aus der Umfrage:

» Architektur und Formen, Muster und Buchstaben hätte ich nicht im ersten Gedanken zusammengebracht, aber es ergibt Sinn. Natanael Arndt, Informatiker
» … die Lesbarkeit durch Andere macht ein Zeichen zu einem Buchstaben – ansonsten wäre es nur ein abstraktes (Schmuck-) Element … Hannah Feldmeier, Künstlerin
» Ob Serifen das Gehirn besonders stimulieren, kann ich mir weniger vorstellen. Serifen sind erlernte Formen, die v.a. (bei Fließtexten – Lesbarkeit) Bezüge schaffen, Brücken bauen. Wichtiger als Serifen ist ein harmonisches Gesamtkonzept. Das gilt natürlich nicht für die serifenbetonten Schriften, die Serifen in den Vordergrund rücken. Hier finde ich, stimulieren sie das Gehirn dann schon mehr, v.a. weil sie in der Überbetonung von der Norm abweichen. Christine Hartmann, Museologin

Im grafischen Bereich recherchierte ich zu modernen Fonts, nahm mit den Schriftgestaltern Kontakt auf, um für diese Studie eine Lizenz zu bekommen, und führte erste Tests (siehe Abbildungen 1 bis 3) durch. Eine Anregung für meine Arbeit war die Abschlussarbeit des renommierten Schriftgestalters Thomas Thiemich: Die andere Seite der Schrift.

Abbildung 2 – Ausarbeitung des Raums zwischen vorherigen und folgendem Buchstaben

Raum nach Buchstaben   Raum vor Buchstaben

Abbildung 3 – Sammlung der häufigsten Triple im deutschen Sprachraum mit der Minuskel g in der Mitte

Triple Deutsch Studie Annett Riechert

Ausblick

Die Recherchen haben einige neue Ansätze und Fragen aufgezeigt, denen ich zukünftig nachgehen möchte. Für die grafischen Arbeiten liegen erste prototypische Analysen vor. Um eine internationale Einordnung vornehmen zu können und möglichst viele relevante Triple abzudecken, habe ich mich entschieden die Tests in den Sprachen Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch und Polnisch durchzuführen.

Fonts

Mein herzlicher Dank an:
Mc Queen, Loris Olivier, Noheul Lee und Katja Schimmel, https://fontwerk.com/de/fonts/mcqueen-grotesk
Kaius Pro, Lisa Fischbach, https://www.typemates.com/fonts/kaius-pro#in-use

Literatur

(1) Larisch, Rudolf: Über Zierschriften im Dienste der Kunst, München: Joss Albert, 1899
(2) Larisch, Rudolf: Beispiele künstlerischer Schrift aus vergangenen Jahrhundert, Wien: Staatsdruckerei Oesterreich. Verlag, 1926
(3) Luidl, Phillip: Typografie, Herkunft, Aufbau, Anwendung, Hannover: Schlüter, 1984
(4) Dehaene, Stanislas: Lesen, München: btb, 2012
(5) Smeijers, Fred: Counterpunch, London: Hyphen Press, c2011
(6) Tracy, Walter: Letters of Credit, London: Fraser, 1986
(7) Ruder, Emil: Typography, Teufen AR: Niggli, 1967

Danke

Maurice Göldner, Thomas Thiemich, allen Mitarbeitern des Museums für Druckkunst in Leipzig, Christine Hartmann, Natanael Arndt, Hannah Feldmeier, Michael Wörgötter

Hinweis zum Beitrag

Die Entstehung dieses Werks wurde durch ein Stipendium der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen ermöglicht.

Annett Riechert
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